Unsere Interview-Serie zum Thema Digitale Wirtschaft:

Herr Voss, können Sie uns einen Überblick über den aktuellen Stand der Datenschutzverordnung in der EU geben?

Im März hat das europäische Parlament die im letzten Jahr ausgehandelten Kompromisse zur Datenschutzverordnung im Plenum bestätigt. Bevor wir jedoch in den Trilog treten können, muss zunächst der Rat zu dem Thema tagen. Zwar besteht die Hoffnung, dass dies bis Ende 2014 passiert, doch realistisch ist wohl Ende 2015. Der Rat agiert aktuell langsamer als wir uns dies im Parlament wünschen. Neuwahlen und Sommerpause werden mit ein Grund für die Verzögerung sein. Auch Deutschland wird dabei oftmals als Bremser benannt. Dies liegt wahrscheinlich an der Ausdifferenzierung der Datenschutzverordnung gegenüber dem bereits vorhandenen hohen Maß an Datenschutz in Deutschland.

Wäre auch ein anderer Weg für eine Vereinheitlichung des Datenschutzes möglich gewesen, als die aktuellen Kompromisse zur Datenschutzverordnung?

In der Datenschutzverordnung wird versucht, zu viele unterschiedliche Lebensbereiche, in ein Gesetz zu fassen. Mir persönlich wäre es lieber gewesen, man hätte stärker differenziert zwischen Klein- und Groß-, Online- und Offlineunternehmen, öffentlichen und privaten Unternehmen. Dann hätte man bessere und vermutlich auch sachgerechtere Lösungen gefunden und es wäre nicht so kompliziert geworden bei der Verhandlung über die Kompromisse.

Ist die Datenschutzverordnung auch eine Chance für europäische Unternehmen?

Eine Vereinheitlichung des Datenschutzes in Europa wird nicht nur das Vertrauen der Verbraucher in Unternehmen stärken, sondern sorgt auch für Verbindlichkeit für Unternehmen. Die aktuelle Diskussion über diesen Standard, denke ich, wird der Wirtschaft in der EU Wettbewerbsvorteile bringen. Ähnlich wie „made in Germany“ besteht die Chance, die Datenschutzverordnung als Qualitätssiegel in globale Märkte zu transportieren. Dabei dürfen die Anforderungen an den Datenschutz aber nicht überzogen werden.

Was ist die Aufgabe der Politik in der Diskussion um den Datenschutz?

Die Politik und die Wirtschaft müssen fragen, welche Ängste überhaupt bei den Verbrauchern herrschen, um Vertraulichkeit, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit bei dem Umgang mit Daten zu schaffen. Dabei hilft die Politik, Leitplanken und vielleicht auch globale Standards zu setzen.

Findet die Diskussion zum Datenschutz aktuell mit allen Akteuren statt?

Grundsätzlich ja, aber die NSA hat uns gezeigt, nicht nur theoretisch sondern auch praktisch, was in einer digitalen Welt möglich ist. Deshalb muss die Diskussion mittlerweile über den Datenschutz hinausgehen, denn Google verhält sich aus meiner Sicht dabei nicht anders als die NSA. Dies führt uns zu der Fragestellung: Wie muss Datenschutz und Privatsphäre aussehen? Um diese Fragestellung zu beantworten, ist es notwendig, dass alle Akteure an einem Tisch sitzen, was aktuell nicht der Fall ist. Daher empfehle ich die Aufkündigung des Safe-Harbor-Abkommens, um über einen neuen Standard zu sprechen, der den häuslichen Bereich inner- und außereuropäisch etwas sicherer macht. Beispielsweise sollte geklärt werden, ob Daten aus Raumthermostaten für die Vermarktung verwertet werden dürfen. Diese Diskussion kann aber nur stattfinden, wenn wir auf einer Augenhöhe miteinander diskutieren. Findet dies nicht statt, müssen wir konsequent sein und das Safe-Harbor-Abkommen kündigen.

Herr Voss, wie kann man Sorge tragen, dass auch außereuropäische Marktteilnehmer sich an den EU-Standard halten?

Ich verstehe, dass es Unternehmen gibt, die durch geringere Datenschutzanforderungen im Ausland einen Wettbewerbsvorteil haben. Gerade der Mittelstand ist davon betroffen, wenn dieser sich datenschutzkonform aufstellen möchte. Dem Mittelstand fehlen die finanzellen Ressourcen, sich gegen global tätige Konzerne aufzustellen. Daher sehe ich es als notwendig an, über ein Marktplatzrechtsprinzip nachzudenken, um versteckte Subventionen für außereuropäische und Hürden für innereuropäische Unternehmen aus dem Weg zu räumen. Ziel muss ein Level Playing Field für alle Marktakteure in Europa sein.

Ist der Begriff Big Data in der aktuellen Diskussion noch zeitgemäß?

Heute müssen wir vielmehr über Legal Big Data sprechen. In den letzten Jahren ging es, gerade im Bereich der werbetreibenden Unternehmen, vor allem um die Sammlung von Daten. Wichtiger ist jedoch die Frage, wie diese Daten rechtssicher verwendet werden können. Es muss jederzeit klar sein, in welche Art von Verwendung ein Verbraucher eingewilligt hat und auch, wie eine gültige Einwilligung beschaffen sein muss.

Wahlprüfsteine des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.

Vom 22. bis 25. Mai 2014 wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zum achten Mal das Europäische Parlament. Mit den im Vorfeld zur Wahl aufgestellten Wahlprüfsteinen zur Europawahl 2014 formuliert der BVDW die Erwartungen und Forderungen seiner Mitgliedsunternehmen an Parteien und die zukünftigen Europaabgeordneten. Diese können unter kostenlos heruntergeladen werden.