Customer Relationship Management – CRM – soll die Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen steuern. Steigende Kundenerwartungen und die zunehmende Geschwindigkeit mit der Kunden interagieren, beeinflussen das CRM maßgeblich. Ein weiterer wichtiger Trend jenseits von Datenverständnis und Analysegeschwindigkeit der Interaktionen fordert Unternehmen heraus. Denn die Art von Beziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten ist deutlich vielschichtiger und komplexer als eine reine Kunde-kauft oder kauft-nicht Einteilung. Unternehmen müssen ein echtes Verständnis entwickeln, um den verschiedenen Erwartungen gerecht zu werden und die Kunden in einer komplexeren Wettbewerbssituation nicht durch einseitiges oder falsches Verständnis zu verlieren.
CRM heißt in vielen Unternehmen, Daten zu erheben, aus denen sich Informationen zu Konsumverhalten gewinnen lassen (Markenpräferenzen, Zahlungsbereitschaft usw.) und daraus verschiedene Käuferprofile zu erstellen. Kunden werden dabei jedoch meist nur als Käufer gesehen, die man mit verschiedenen Maßnahmen zu Transaktionen zu motivieren versucht. Für manche Kunden ist dies durchaus ein richtiger Ansatz. Sie erwarten von einem Unternehmen eine nüchtern-pragmatische Verkäufer-Käufer-Beziehung. Dies trifft jedoch nicht auf alle Kunden zu. Es gibt Kunden, die sich als Partner eines Unternehmens verstehen und mit ihm interagieren möchten. Andere Kunden haben die alte „Der Kunde ist König“-Weisheit besonders stark verinnerlicht und sehen sich als „Herrscher“ über die Unternehmen, welche gefälligst ihren Wünschen zu folgen haben und den Kunden jederzeit die von ihnen „verdiente“ Aufmerksamkeit zukommen lassen sollen. Wieder andere sind einem Unternehmen als Fans so verfallen, dass sie sich leicht begeistern lassen, das Unternehmen gegen Kritik verteidigen und sich gerne von dem Unternehmen „führen“ lassen. Dies sind nur einige Beispiele von möglichen Beziehungen, die Kunden von Unternehmen erwarten können.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt

Unternehmen richten ihre Marketingmaßnahmen oftmals nur auf einen Beziehungstyp aus. Insbesondere auf die transaktionsfokussierte Verkäufer-Käufer-Beziehung, gerade bei Unternehmen mit starken Love Brands aber auch auf die Fan-Beziehung. Dabei führt diese einseitige Sicht auf die Kundenbeziehung schnell zu Frust bei Nutzern, die sich andere Beziehungen wünschen. Ein Nutzer, der einfach nur günstige, hochwertige Laufschuhe kaufen möchte, wird schnell genervt sein, wenn ein Sportartikel-Hersteller ihn behandelt wie einen Marken Evangelisten und ihm für ihn vollkommen irrelevante Informationen kommuniziert. Der erste und wichtigste Schritt zu einem vielschichtigeren CRM-Ansatz besteht zunächst in der Erkenntnis, dass Kunden überhaupt verschiedene Beziehungstypen wünschen, und dass diese Beziehungstypen meist über das bisherige, vertriebsorientierte Verständnis im CRM hinausgehen.
Nach dieser Erkenntnis besteht der nächste Schritt darin, die verschiedenen möglichen Beziehungstypen zu kategorisieren. Hierzu gibt es verschiedene Ansätze. Die Wissenschaftler und Marketing/CRM-Experten Jill Avery, Susan Fournier und John Wittenbraker beispielsweise haben in einer Studie, eine Kategorisierung nach 29 Beziehungstypen vorgeschlagen, die sich in der Charakteristik an zwischenmenschlichen Beziehungen orientiert. Beziehungstypen wurden z.B. als Nachbarn, Ehepartner, Flüchtige Bekanntschaft oder One-Night-Stand benannt. Grundsätzlich ist die Gestaltung der Kategorien flexibel und muss nicht einem bestimmten fertigen Ansatz folgen. Viel wichtiger ist das Verständnis, dass sich Beziehungstypen nicht ausschließlich nach Konsumverhalten unterscheiden, sondern auch nach psychologischen Faktoren, Emotionen, Zufriedenheit, „nicht-kommerziellen“ Bedürfnissen (etwa Suche nach Bindungen oder die Ausübung von Autorität).

Welche Beziehungen es zu den eigenen Kunden gibt

Um zu ermitteln, welche Arten von Beziehungen die eigenen Kunden wünschen, gilt es zunächst, für jeden Beziehungstyp Indikatoren zu finden. Dies können unter anderem bestimmte Formulierungen sein, die Nutzer in Social Media Diskussionen über das Unternehmen aber auch im direkten Kontakt mit dem Unternehmen verwenden, z.B. Nutzer, die darüber sprechen, dass sie ein Unternehmen „lieben“. Mittels Data Mining Verfahren lässt sich ermitteln, ob Beziehungstypen mit bestimmten Kombinationen von Kundenmerkmalen korrelieren. Durch die Erfassung der Indikatoren, bzw. der Daten aus denen sich die Indikatoren mittels Analysetechnologien herauslesen lassen, an allen verfügbaren Quellen (Social Media, direkter Kundenkontakt, Feedback/Umfragen, Self-Service Angaben, Reaktionsdaten aus dem Onlinemarketing, Soziodemografie, Kaufverhalten usw.) lassen sich die eigenen Kunden kategorisieren.
Wichtig ist in jedem Fall, als Unternehmen auch offen für unerwartete Ergebnisse zu sein, die ein Ausbrechen aus alten Gewohnheiten erzwingen könnten, möglicherweise sogar eine Korrektur des eigenen Selbstbilds. Vielleicht stellt ein Unternehmen, das sich bisher als Freund ihrer Kunden verstanden und dementsprechend positioniert hat, fest, dass die meisten Kunden diese Freundschaft gar nicht möchten. Die Konsequenz aus der Verortung der eigenen Kunden muss nun sein, jeden Kunden individuell mit den für seinen Beziehungstyp, seinen Nutzungskontext und generell seine Bedürfnisse richtigen Marketingmaßnahmen anzusprechen, also beispielsweise Inhalte, Frequenz, Gestaltung und Zeitpunkte von digitalen Dialogmaßnahmen entsprechend zu individualisieren. Der Prozess der kontinuierlichen Kategorisierung von Kunden, der darauf aufbauenden individualisierten Durchführung von Marketing Maßnahmen sowie der erneuten Überführung der Ergebnisse dieser Maßnahmen in die Kategorisierung des Kunden ist dabei nur durch den Einsatz von Real Time Marketing Automation Technologie umsetzbar, die in Echtzeit auf Veränderungen bei den Indikatoren reagiert.

Fazit

Viele Unternehmen orientieren sich heute in ihrem CRM heutzutage an einer primär transaktionsorientierten Käufer-Verkäufer Beziehung zum Kunden. Die Vielseitigkeit der Kundenbedürfnisse nach Beziehungen mit Unternehmen bzw. Marken wird dabei nur unzureichend berücksichtigt. In Zukunft wird es darum gehen, komplexere und emotionale Beziehungstypen zu beherrschen und Kunden richtig zu zuordnen. Dafür sind relevante Beziehungstypen zu identifizieren und Indikatoren (etwa Formulierungen in Social Media Posts) zu modellieren, nach denen sich Kunden zu den Beziehungstypen zuordnen lassen. Die Berücksichtigung des Beziehungstyps des einzelnen Kunden hilft dabei, Marketing- und Servicekommunikation noch kundenzentrierter zu machen und die wahren Beweggründe zu adressieren. Die Kategorisierung von Kunden nach Beziehungstypen sollte in einen automatisierten kontinuierlichen  Prozess überführt werden, der in Echtzeit auf Veränderungen bei den Indikatoren reagiert.

Quellen

Harvard Business Manager 09/14: Das Geheimnis guter Beziehungen